Braucht es überhaupt Religion?
Religion ist ein schwieriges Thema, mehr als jede andere kulturelle Betätigung birgt sie das Potential zu Hass und Gewalt. Wir führen seit je Kriege nicht nur entlang nationaler und ethnischer Grenzen sondern vor allem auch entlang der religiösen Bruchlinien.
Wie viel Leid, Folter, Tod, Ausgrenzung, Missbrauch und Verfolgung wurde und wird bis heute über die Menschen gebracht im Namen der Religion und im Rahmen der Religionsausübung?
So ist es zwar überraschend aber durchaus konsequent, wenn der bekannteste Vertreter der buddhistischen Religion Tibets, der Dalai Lama, schreibt:
Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir keine Religionen mehr hätten. Alle Religionen und alle Heiligen Schriften bergen ein Gewaltpotenzial in sich. Deshalb brauchen wir eine säkulare Ethik jenseits aller Religionen.
Das eigentliche Problem dürfte aber weniger die Religion selbst sein, sondern das In-Besitz-Nehmen religiöser Wahrheiten. Hierzu gehört auch der Wahrheitsanspruch, der Absolutheitsanspruch und der Fundamentalismus im Umgang mit der jeweiligen Religion.
Vor diesem Hintergrund stellen sich viele Fragen zur Religion: Was ist überhaupt Religion? Was sind ihre Ziele, ihre Möglichkeiten und Methoden? Welchen Bereich des Menschen spricht sie an? Was wäre ein förderlicher und was ein destruktiver Umgang mit ihr? Sind Religion und Kirche wirklich das gleiche? Wo liegt der Unterschied zwischen Religion, Ethik und Spiritualität?
Unser Religionsverständnis und unsere religiöse Bildung ist heute weitgehend geprägt durch die Kirchen. Aus diesem Grund ist es nötiger denn je, sich tiefer mit Religion zu beschäftigen, als es die Kirchen vorgeben. Und es dürfte auch hilfreicher sein, sich mit religiösen Fragen auseinanderzusetzen, als sich nur zu einer bestimmten Religion zugehörig zu erklären.
Die folgenden Buchempfehlungen sollen hierzu die nötige Anregung geben.
Exoterischer Umgang mit einem religiösem Gut
Der Autor Heinz Grill beispielsweise möchte ein differenziertes und – wie er es ausdrückt – exoterisches Umgehen mit den Religionen fördern. So unterscheidet er deutlich die esoterischen Elemente der Religion, die z.B. durch religiöse Urkunden bzw. durch Religionsgründer zum Ausdruck kamen, von einem exoterischen Umgang mit dem jeweiligen religiösen Gut. Dieser exoterische Umgang sollte konkret, wissenschaftlich nachvollziehbar, pädagogisch vertretbar sein und keine mystischen Elemente besitzen. Ebenso das exoterische System sollte zu dem religiösen Gut vermitteln, wie das Museum zu den Kunstwerken, oder wie der Bergführer zu den Bergen vermittelt, es sollte aber das religiöse Gut nicht besitzen und für sich beanspruchen. Religiöse Aussagen beschreiben in der Regel keine materielle, weltliche sondern eine geistige Wirklichkeit, wie sie etwa nach dem Tode erlebt werden kann. Durch die Vermischung dieser grundlegenden Ebenen, kommt es allzu leicht zu einem „Herunterziehen“ spiritueller Aussagen auf die physisch materielle Ebene, bevor diese in ihrer ursprünglichen Tiefe überhaupt erfasst werden konnten.
Derjenige, der auf exoterische Weise mit der Religion umgeht, würde beispielsweise nicht sagen, „Ich bin Christ“ und damit einen Anspruch verkünden, der allzu leicht den anderen ausschließt, sondern er würde lieber sagen, „ich beschäftige mich mit dem Leben des Christus, ich empfinde eine Nähe, eine Liebe dazu, und es interessiert mich beispielsweise die Frage, was mit der Seele nach dem Tode geschieht.“
Dieser Unterschied in der individuellen Einstellung ist zwar scheinbar subtil, aber in der weiteren Wirkung doch ungeheuer groß. Der exoterische Umgang ist gedanklich und inhaltlich regsam, er ist dialogfähig und schließt nicht den Andersdenkenden bzw. Andersgläubigen aus, während bei der ersten Aussage das Wort zu einer passiven Bekenntnisformel, ja fast wie zu einem Markenzeichen wird.
Auch für die Gewissensbildung ist diese Unterscheidung wesentlich, wie aus dem lesenswerten Artikel „Die Gewissensbildung und ihre Bedeutung für die menschliche Kultur der Zukunft“ zu entnehmen ist.
Literaturempfehlungen
Als typischen religiösen Text aus neuerer Zeit würde ich beispielsweise die 14 Reden des Murdo McDonald-Bayne empfehlen. In einfachen, klaren Meditationssätzen führen sie den Leser in das christliche Geheimnis ein, so wie es in der Gegenwart empfunden werden kann.
Als exoterische Literatur möchte ich das Buch Große Heilige von Walter Nigg empfehlen. Mir ist kein anderer Autor bekannt, der so treffen das Leben und Wirken religiöser Persönlichkeiten beschreiben konnte. Das Buch vermittelt damit im besonderen Maße eine Sinn für die religiöse Dimension im Menschen.
Und vom gleichen Autor Das Buch der Ketzer, ein Klassiker in der Darstellung dessen, was den sogenannten Ketzer bewegt und wie er durch die Kirchen verfolgt wird.
Wer sich für die Rolle der Kirchen in der Religion interessiert, möchte ich die lesenswerten Broschüren von Heinz Grill verweisen.
Praktische Seelsorge
Eng verbunden mit der Religion ist die praktische Seelsorge. Die Seelen der Verstorbenen sind darauf angewiesen, dass sie nicht vergessen sind und ihnen von den Hinterbliebenen seelisch-geistige Substanz zukommt. Von daher ist die Frage, was der einzelne tun kann für Pflege und Entwicklung der Seele und insbesondere für die Seele der verstorbenen Angehörigen und Bekannten, von großer Wichtigkeit.
Folgende Bücher sind in diesem Zusammenhang sehr zu empfehlen: