Die Kunst der Aufmerksamkeit


hirschvogel vortrag

Die Kunst der Aufmerksamkeit als Grundlage menschlicher Nähe und Beziehung.

Nachklang zum Vortrag von Gabriele Hirschvogel
am 14.7.2014 in der Buchhandlung Kögel in Waldshut-Tiengen.

Gabriele Hirschvogel eröffnete das Thema mit einer Darstellung, wie der Begriff „Aufmerksamkeit“ heute allgemein verwendet wird und wie er aus Sicht des Neuen Yogawillen gesehen wird. Als Grundvoraussetzung für diese Art der Aufmerksamkeit nannte sie eine gute Objektbeziehung, d.h. ein geordnetes Verhältnis zwischen einem Betrachter und seinem Objekt, zu dem er in Beziehung tritt.

Es folgten zunächst Beispiele, wie die Aufmerksamkeit verloren geht, wenn der Betrachter sein Objekt rein nach dem Nutzwert oder nach subjektiven Gefühlen der Sympathie oder Antipathie betrachtet. Im Unterscheid dazu wurde die Aufmerksamkeit dargestellt, wenn sie mehr mit einem objektiv gelenkten Prozess der Sinne beginnt und weiterhin mit konkreten Gedanken begleitet wird.

gaby hirschvogelSehr anschaulich demonstrierte Frau Hirschvogel diesen Unterscheid anhand von Betrachtungen einer Person, eines Textes und einer Yogaübung.

Für die Personenbetrachtung stellte sich eine Mitarbeiterin der Buchhandlung als „Betrachtungsobjekt“ zur Verfügung. Zusammen mit dem Publikum wurde nun versucht, die Person zuerst nach nach Kriterien der Sympathie und Antipathie zu erleben. Nahezu einstimmig wurde festgestellt, dass diese Gefühle fast automatisch hochsteigen und man sich dafür nicht besonders anstrengen muss. Nach dieser zunächst subjektiven Betrachtung wurde schließlich eine mehr objektive angeleitet, bei der die Sinne mit konkreten Gedanken zum Objekt ausgerichtet werden. Hierzu wurde die Person von ihrer äußeren Erscheinung her sorgfältig beschrieben: Wie groß ist sie, wie sind die Haare, die Form der Augenbrauen, die Form der Nase und des Mundes? Wie sieht die Kleidung aus? Ein Gedanke, der diese Betrachtung ergänzte und schließlich die Aufmerksamkeit zur Person vertiefte, war: Wie ist das Verhältnis der Hände zum gesamten Körper?

Frau Hirschvogel stellte dar, dass man durch diese Aufmerksamkeit den normalerweise autonomen Sinnes- und Gedankenstrom durchbricht und eigenständig zu denken beginnt. Und diesen eigenständigen Prozess der Gedankenbildung bezeichnete sie als eine „seelische Aktivität“, die man durchaus erst erlernen müsste.

Einige Besucher bemerkten, dass durch diese Art der Betrachtung ein Gefühl der Nähe zu der Person entstand, das vorher noch nicht vorhanden war und das sie von dem anfänglichen Gefühlen der Sympathie und Antipathie deutlich unterscheiden konnten. Frau Hirschvogel wies darauf hin, dass dieses Gefühl der Nähe durch diesen Prozess der Aufmerksamkeit entsteht und durchaus als Zeichen einer beginnenden Beziehung erlebt werden kann.

Es folgte ein Beispiel, wie man Bücher rein nach Sympathie oder Antipathie, bzw. nach dem Nutzwert lesen kann. An dieser Stelle brachte Frau Kögel, die Inhaberin der Buchhandlung, eine gelungene Demonstration, wie dieser eigenständige und kreative Prozess der Aufmerksamkeit beim Lesen aussehen kann.

vortrag koegel asanaAbgerundet wurden diese Ausführungen mit einem praktischen Beispiel aus dem Yoga, an dem auch das Publikum teilnahm.

Zum Ende des Vortrags wurde der gesundheitliche Aspekt der Aufmerksamkeit erwähnt. Vor allem die schleichende Nervosität könne durch diese eigenständig geführte und mit konkreten Gedanken begleitete Aufmerksamkeit langsam zurückweichen.

Trotz der großen Hitze, die an diesem Tag noch bis in den Abend anhielt, beteiligte sich das Publikum äußerst regsam am Thema. Ein großes Interesse fand der von der Buchhandlung vorbereitete Büchertisch mit Literatur von Rudolf Steiner und Heinz Grill zum Thema des Vortrags. Die Buchhandlung war auch danach noch geöffnet und lud bei Getränken und Knabbereien zu einem längeren Verweilen im angeregten Austausch ein.